Banda Internationale: Musik ist eine eigene Sprache
Ausgezeichnet mit dem Sonderpreis für Projekte zur kulturellen Teilhabe geflüchteter Menschen
12.05.2016
So klingt der neue „Dresdner Sound of Heimat“: Die elfköpfige Brass-Band „Banda Comunale“ hat sich um zehn geflohene Musiker zur „Banda Internationale“ erweitert: Gemeinsam interpretieren sie den Begriff „Heimatmusik“ neu und lassen traditionelle und zeitgenössische Musik aus den Herkunftsländern der Beteiligten zusammenfließen.
Von: Edgar Lopez
In der Altana-Galerie der Technischen Universität in Dresden soll in wenigen Minuten die Ausstellung „World Identity Relations“ eröffnet werden. Es ist der Freitagabend des 1.Mai-Wochenendes. Zu Gast ist auch eine kleine Abordnung der Kapelle „Banda Internationale“, die die Veranstaltung musikalisch begleiten soll. Gezeigt werden Porträtfotografien von internationalen WissenschaftlerInnen und Studierenden der Universität. Sie sind zwischen allerlei technischen Apparaturen ausgestellt, den Dauerexponaten der Galerie, zwischen denen man sich leicht verlaufen kann. So wird die Band an diesem Abend für viele BesucherInnen zum Fixpunkt der Veranstaltung.
Heimatmusik neu interpretieren
„Banda Internationale“ ist ein Projekt, das internationale und vor allem geflüchtete Musiker mit der Dresdener Blasmusikkapelle „Banda Comunale“ zusammenbringt. Das Konzept ist einfach: Man möchte Musik machen, indem man verschiedene Heimatmusiken fusioniert, vor allem will man die Leute zum Tanzen bringen. Eine Blaskapelle, die Funk, Ska und arabische Melodien spielt. „Neu ist, dass es hier neu ist“, erklärt Michal Tomaszewski. Die Folklore, die mit den Begriffen „Heimat“ und „Volk“ verbunden ist, wird spielerisch aufgriffen und zu einem einzigartigen Repertoire vermischt.
In dem Sinne sei Dresden nicht international, da viele Leute mit solch einer Form von musikalischem Zusammenspiel keine Übung hätten, führt Michal weiter aus. In den 1980er Jahren kam er mit seiner Familie selbst aus Polen nach Deutschland. Andererseits sind es geflüchtete Musiker, „die auch abgehauen sind, weil sie zu Hause aufgrund ihrer Musik bedroht wurden“, betont er. So sei beispielsweise ein Musiker im Iran wegen seiner Affinität für Heavy-Metal mit dem System in Konflikt geraten.
Zeigen, wozu man fähig ist
Die Idee zum Projekt kam im letzten Sommer. „Banda Comunale“, die schon seit Jahren auf Demos gegen Rassismus und Rechtsextremismus spielt, waren auch in Freital vor Ort, als das „Hotel Leonardo“ in eine Flüchtlingsunterkunft umgewandelt wurde. Die feindlich gesinnten Proteste der AnwohnerInnen und die bedrückende Stimmung vor Ort führten zum Entschluss, das Ensemble um geflüchtete MusikerInnen zu erweitern.
Im Großraum Dresden entstanden in diesem Sommer weitere Erstaufnahmeeinrichtungen. „Banda Comunale“ besuchte sie, spielte Begrüßungskonzerte und warb mit Zetteln für ihr Projekt. Über einen Freund wurde auch Thabet Azzawi darauf aufmerksam. In Syrien studierte er drei Jahre Medizin und Musik, bevor er wegen des Krieges in den Jemen flüchten musste. Nach zwei Jahren Studium der Medizin musste er ein weiteres Mal flüchten, als auch dort Krieg ausbrach. Sein Bruder, ein Medizin-Doktorand an der Technischen Universität, holte ihn schließlich nach Dresden.
Thabet spielt die Oud. Dieses Instrument ist eine Kurzhalslaute, die einer Gitarre mit kurzem Hals und dickem Bauch ähnelt. Eigentlich ist er Solist, aber als die Band in ihrer ersten gemeinsamen Probe ein arabisches Lied in einer sehr jazzigen Art spielte, gefiel ihm das sofort und „Es machte Klick“, wie er sagt. Seit über einem halben Jahr ist er nun ein fester Bestandteil des Ensembles.
„Ich bin sehr dankbar für die Chancen, die ich dadurch als professioneller Musiker erhalten habe“, so Thabet. Durch die Unterstützung und die Kontakte, die ihm die Bandmitglieder vermittelt haben, komponierte er bereits für die Landesbühne Sachsen in Radebeul und wird demnächst einen Workshop über orientalische und Weltmusik an der Hochschule für Musik in Dresden geben.
Wenn sie Tanzmusik spielen, versuchen Thabet und die anderen das Konzept einer internationalen Stadt zu repräsentieren: „Niemand achtet auf seine Nationalität, alle tanzen und haben Spaß. Wir hoffen, dass sich dieses Bild der Band in Zukunft auch auf die Stadt Dresden übertragen kann.“Den vielen SkeptikerInnen soll nicht mit großen Phrasen begegnet werden. Stattdessen wolle man ein praktisches Beispiel dafür geben, wie Zusammenleben funktioniert. „Wir waren vorher schon ein Freundeskreis von elf Leuten. Jetzt sind wir an die 20“, so Michal. Sie feiern zusammen, aber helfen sich auch im Alltag, beispielsweise bei Arzt- oder Behördengängen.
Barockin’ All over the World
Thabet hofft, den Pegida-Anhängern zeigen zu können, dass nach Deutschland geflüchtete Menschen eine Chance auf ein neues Leben verdienten. Die aktuelle Situation beschreibt er mit folgenden Worten: „Pegida ist wie eine Person, die sagt, dass sie nur Barockmusik hört, oder, dass die Violine nur klassische Musik spielen kann. Aber wie dumm ist das denn?“
Was für eine interessante Mischung entstehen kann, wenn sich unterschiedliche Musikstile zusammenfinden, lässt die Probe vor Veranstaltungsbeginn erahnen. Easy, der Germanistik-Student aus Burkina Faso, probt mit seiner Gitarre und singt Schlagerhits: „Ein Bett im Kornfeld“ und „Im Wagen vor mir“. Neben ihn setzt sich Akram, der im Irak Mitglied des „National Symphony Orchestra Iraq“ war, aber von dort fliehen musste. Vom einen auf den anderen Moment steigt er in das Stück ein und begleitet Easy mit seinem Cello.
Längst haben die Musiker eine gewisse lokale Bekanntheit erlangt. Sogar die ARD-Tagesthemen, das ZDF-Frühstücksfernsehen und Arte porträtierten sie bereits. Neben zahlreichen Konzerten in diesem Sommer ist außerdem ein Dokumentarfilm über das Projekt in Arbeit.
Musikerinnen gesucht
Michal ist sich sicher, dass über die musikalische Konversation eine Ebene entsteht, die schon im Vorfeld sehr viele Vorurteile beseitigt: „Ohne sich wirklich unterhalten zu müssen, hat man sich bereits kennengelernt.“ Verbal fange man dann an einem ganz anderen Punkt an. So sei zu Beginn des Projekts der Israel-Palästina-Konflikt ein Thema gewesen, das man eher gemieden habe, weil unter ihnen unterschiedliche Ansichten dazu bestünden. Mittlerweile könne man aber die Einladung zu einem jüdischen Kulturfestival in Erfurt offen ansprechen. Michal freut sich bereits auf den dortigen Auftritt.
Einen Punkt, an dem weiterhin großer Nachholbedarf besteht, hebt Michal zum Schluss hervor: „Es wäre schön, wenn auch mal Frauen teilnehmen würden.“ Bis jetzt gehören dem kleinen Orchester nur männliche Musiker an, es stehe aber allen offen.
Das Bandprojekt „BANDA INTERNATIONALE“ ist eines von zehn nominierten Projekten im Rahmen des Sonderpreises zur kulturellen Teilhabe geflüchteter Menschen. Der Preis wird zum Auftakt von „Kultur öffnet Welten“ am 21. Mai 2016 im Deutschen Historischen Museum vergeben.