Dresdner Montagscafé: „Unsere Arbeit hat gerade erst begonnen“

Nominiert für den Sonderpreis für Projekte zur kulturellen Teilhabe geflüchteter Menschen

17.05.2016

Kinder und Jugendliche an Tisch, lachen, spielen, reden
Das Montagscafé | Foto: Daniel Koch

Seit September bietet das Staatsschauspiel Dresden Geflüchteten und Einheimischen einen Rahmen, um einander kennenzulernen: das „Montagscafé“. Es findet im Theater Kleines Haus statt und ist mit seinem breiten Veranstaltungsangebot längst zu einer zentralen Anlaufstelle des „anderen“ Dresden geworden.

Von: Edgar Lopez

Es ist Montag und die Spätnachmittagssonne färbt den Himmel über Dresden in warme Farben. Von ihr gewärmt wird auch das Kleine Haus in der Dresdner Neustadt. Im Atrium des Theaters sind Sonnenschirme, Bänke und Sofas aufgebaut. Etliche Personen haben sich auf ihnen niedergelassen, trinken Tee, Kaffee oder Bier an der anliegenden Bar und genießen die entspannte Atmosphäre. Die Tischtennisplatte erlebt ebenso regen Andrang.

Seit September 2015 findet hier wöchentlich das „Montagscafé“ statt. Dabei handelt es sich um ein Projekt des Staatsschauspiels Dresden: Geflüchtete Menschen und Einheimische sollen zusammengebracht werden, um sich kennenzulernen.

Miriam Tscholl, am Staatsschauspiel für die Bürgerbühne zuständig, entwickelte die Idee des „Montagscafés“, nachdem im vergangenen Sommer immer mehr Geflüchtete nach Dresden kamen. Eva-Maria Stange, Sachsens Staatsministerin für Wissenschaft und Kultur, hatte die städtischen Kultureinrichtungen zuvor um eine Reaktion auf diese neusten Entwicklung gebeten.

Erwachsene, Kinder und Jugendliche in Gruppenarbeit unterhalten sich
Das Montagscafé | Foto: Daniel Koch

Die Nachfrage nach einem solchen Angebot war immens: „Zum ersten Termin erwartete man lediglich 50 Interessierte, aber es kamen zehnmal so viele“, sagt Barbara Kantel, die wegen des hohen Publikumsinteresses in den darauffolgenden Wochen als hauptberufliche Leiterin des Projekts eingestellt wurde.

Eckpfeiler Ehrenamt

Bevor sie für Fragen zur Verfügung steht, muss sie schnell noch ein paar Dinge erledigen: Es herrscht reger Betrieb. Die ehrenamtliche Gruppe „Afeefa“ soll später eine von ihr entwickelte, gleichnamige App vorstellen. Das Akronym steht für „Alle für einen, einer für alle“ und soll geflüchteten Menschen die Möglichkeit bieten, sich über die verschiedenen Hilfsangebote in der Stadt zu informieren. Aber noch müssen in dem vorgesehenen Raum Hinterlassenschaften der vorherigen Theaterprobe weggeräumt werden.

„Das Montagscafé ist wie ein Gefäß, das mit Inhalt gefüllt wird“, so Kantel. Das Staatstheater könne viele Räume und eine Infrastruktur stellen. Letztendlich sei man aber auf die Initiativen in der Stadt angewiesen. Kantel erzählt, dass es davon viele gebe, auch wenn Dresden immer wegen der „anderen Seite“ in den Schlagzeilen sei.

Mittlerweile wird dieses „Gefäß“ von Kooperationen mit unterschiedlichstem Inhalt gefüllt. Neben Beratungs- oder Sportangeboten durch externe Vereine sind das vor allem Kulturveranstaltungen wie Lesungen oder das Cinelokal, bei dem Ehrenamtliche und Geflüchtete gemeinsam Filme aussuchen, die im Kleinen Haus aufgeführt werden. Im Foyer des Theaters sitzt die „Kontaktgruppe Asyl“, die individuelle Beratungen anbietet.

Erwachsene, Kinder und Jugendliche in Gruppenarbeit, spielen, unterhalten sich
Das Montagscafé | Foto: Daniel Koch

Beim selbstentwickelten Format „Arte Migrante“ sind alle eingeladen, sich über künstlerisches Tun kennenzulernen. Man beginnt mit einem gemeinsamen Essen und anschließend wird musiziert, ein Gedicht rezitiert, getanzt oder ein Videofilm gezeigt. Ein klassisches Publikum gibt es nicht. Alle sind auf der Bühne: Darstellende und Zuschauende zugleich.

Noch sind es eher die DresdnerInnen und MitarbeiterInnen des Hauses, die sagen, welche Angebote gerade notwendig sind. Kantel hofft allerdings, dass sich die anfänglich notwendige, aber paternalistische Geste des Helfens irgendwann zu einer partizipatorischen Arbeit weiterentwickelt: „Es geht um eine Selbstorganisation der Geflüchteten und die Einbeziehung der Neuankömmlinge in die Art und Weise, wie wir hier Kunst machen.“ Was an anderen Orten mit langer Migrationsgeschichte wie Berlin gängig ist, stecke in Dresden noch ganz in den Anfängen.

Wohlfühlort

Ein interessantes Beispiel dafür ist Gharam Mansour. Als ihre Schule im syrischen Al-Salamiyah durch den Krieg zerstört wurde und sie dort keine Zukunftsperspektive mehr sah, floh die Grundschullehrerin im Sommer auf eigene Faust. Ihre Flucht nach Deutschland über den Libanon, die Türkei und zahlreiche Balkanstaaten wäre schon Geschichte genug.

Erwachsene, Kinder und Jugendliche in Gruppenarbeit, spielen, unterhalten sich
Das Montagscafé | Foto: Daniel Koch

Im September 2015 erreichte sie schließlich München und wurde von dort nach Dresden gebracht. Über Freunde erfuhr sie vom Montagscafé. Ursprünglich wollte sie dort Deutsch lernen. Seit vier Monaten gibt sie jedoch selber Kurse in arabischem und orientalischem Tanz. Sie wolle damit den Austausch fördern, Einheimischen ihre syrische Kultur näher bringen und selbst die deutsche Kultur besser kennen lernen.

Es hätten sie schon einige Journalisten interviewt und dabei auffallend häufig zur Situation der Frauen in Syrien befragt: Ob sie Auto fahren, arbeiten oder zur Uni gehen dürfen? Wie wird allgemein mit ihnen umgegangen? Die Journalisten sprächen es nicht aus, sagt Mansour, implizierten damit aber zahlreiche Vorurteile gegenüber der Situation der syrischen Frauen. Die seien „einfach falsch.“

Die kulturellen Unterschiede zwischen den verschiedenen arabischen Gesellschaften seien immens: Syrische Frauen säßen nicht die ganze Zeit zu Hause und würden auch im gesellschaftlichen Leben nicht zahlreichen Restriktionen unterliegen. Dies zu betonen, ist Gharam Mansour wichtig.

Veschiedene Menschen tanzen zusammen im Kreis, halten sich an den Händen
Das Montagscafé | Foto: Daniel Koch

Mittlerweile ist das Montagscafé zu einem wichtigen Bestandteil ihres Lebens geworden. Syrer und Deutsche vermitteln dort gleichermaßen die Warmherzigkeit, die sie aus ihrer Heimat kennt. Sie wünscht sich, dass demnächst noch mehr DresdnerInnen das Montagscafé besuchen und so bestehende Vorurteile weiter abgebaut werden. Insgesamt ist sie mit ihrem Leben in Dresden zufrieden. Auch für die Zukunft gibt es bereits Pläne: Wegen zahlreicher Anfragen deutscher TeilnehmerInnen wird sie demnächst Arabisch-Unterricht geben.

Auch Barbara Kantel ist zufrieden. Fragt man sie nach einem Fazit der bisherigen Arbeit, sagt sie selbstbewusst: „Unsere Arbeit hat gerade erst begonnen.“

Das Dresdner „Montagscafé“ ist eines von zehn nominierten Projekten im Rahmen des Sonderpreises zur kulturellen Teilhabe geflüchteter Menschen. Der Preis wird zum Auftakt von „Kultur öffnet Welten“ am 21. Mai 2016 im Deutschen Historischen Museum vergeben.

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