Neue Wege zur Erinnerungskultur
Dokumentation des KIWit-Workshops der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel in der Gedenkstätte Bergen-Belsen am 6. und 7. Februar 2020
Birken- und Kiefernwald. Weitläufige Grasflächen. Nur wenige Steine und Inschriften erinnern daran, dass insgesamt 52 000 Menschen aus vielen Ländern Europas in diesem Konzentrationslager unter unwürdigsten Bedingungen umkamen. Auf dem Gelände der Gedenkstätte Bergen-Belsen sind die Verbrechen der Nationalsozialisten so nah und doch kaum greifbar.
An diesem Ort beschäftigte sich der KIWit-Workshop "Neue Wege zur Erinnerungskultur" vom 6.-7. Februar 2020 damit, wie eine zeitgemäße Vermittlung der Geschichte des Nationalsozialismus aussehen kann. Nicht nur die Spezifik und Bandbreite von Gedenkorten, sondern auch die diverse Gesellschaft stellt zunehmend neue Fragen an die Gestaltung der Erinnerung und Vermittlung von NS-Geschichte. 15 Personen aus Gedenkstätten, Museen und weiteren Bildungskontexten waren der Einladung der Bundesakademie für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel und der Gedenkstätte Bergen-Belsen gefolgt und arbeiteten für zwei Tage an dem komplexen Themenfeld.
Der Workshop wurde geleitet von Dr. Bünyamin Werker, der zur Erinnerungskultur in der globalisierten Gesellschaft und zu künstlerischen Vermittlungsformen an Erinnerungsorten zur NS-Geschichte und Holocaust-Education forscht. Als Studienrat im Hochschuldienst an der Universität zu Köln zählen zu seinen weiteren Lehr- und Forschungsbereichen: Bildungsungleichheiten in der Migrationsgesellschaft, Kulturelle Bildung als pädagogisches Handlungsfeld, Raum als pädagogische Kategorie sowie kulturelle Ausdrucksformen extremistisch orientierter Subkulturen.
Nach einer allgemeinen Hinführung zum Thema galt es am ersten Tag vor allem, mit einer ersten Perspektive die erinnerungskulturelle Landschaft vor Ort wahrzunehmen. Katrin Unger, Leiterin der Abteilung Bildung und Begegnung und die pädagogischen Mitarbeiterinnen Dr. Brigita Malenica und Tessa Bouwman führten mit drei unterschiedlichen Schwerpunkten durch die Gedenkstätte. So konnten die Teilnehmenden die Ausstellungsräume erkunden und das weitläufige Gelände mittels einer App wahrnehmen, welche die ehemalige Gebäudestruktur des Lagers visualisiert und zusätzliche Informationen zur Verfügung stellt.
Am zweiten Workshoptag fanden sich die Teilnehmer*innen zu selbstgewählten Schwerpunkten zusammen. Thematisiert wurden unter anderem die ethischen Herausforderungen von Erinnerungskultur, beispielsweise in der Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung. Ein weiterer Fokus lag auf unterschiedlichen Darstellungs- und Vermittlungsformen auch jenseits einer Täter*innenperspektive. Auch wurde diskutiert, wie die Bevölkerung vor Ort unterstützt werden kann, eigene Erinnerungsformate für einen lokalen Gedenkort zu entwickeln. Hier stellte sich die Frage, welche Formen der Erinnerungskultur noch ethisch vertretbar sind – wenn es beispielsweise um Reenactment-Formate geht – und in welchem Fall eine Projektleitung einschreiten kann oder muss, gerade wenn solche Formate von Betroffenen entwickelt wurden und diesen nicht mit Paternalismus begegnet werden soll.
Der Workshop bot Raum, eigene Konzepte einer zeitgemäßen Vermittlung zu entwickeln, die Menschen unterschiedlicher Hintergründe zu einem individuellen Umgang mit NS-Geschichte einlädt.