Verdeckte Diskriminierungen abbauen
Beim 2. Polit-Sofa in Düsseldorf zur Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen diskutierten Ende August die Kandidat*innen für das Amt des Stadtoberhaupts über Migration und Teilhabe.
Von: Konstantin Alexiou
Wie positionieren sich die vier Düsseldorfer Oberbürgermeister*in-Kandidat*innen bei den Themen Migration und Teilhabe? Wie wollen sie Diversität fördern? Und wie gehen sie mit dem politischen Rechtsruck um? Anlässlich der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen am 13. September 2020 hatte der Düsseldorfer NDMO, der als Dachverband über 20 Migrant*innenorganisationen in der Stadt unterstützt und Mitglied beim Bundesverband NeMO ist, in Kooperation mit dem Landesverband Netzwerke zum 2. Polit-Sofa eingeladen.
Eine Gemeinsamkeit unter den Diskutierenden sei die Ablehnung des Rechtspopulismus, versicherte der Moderator Peter Rueben, als er die OB- Kandidat*innen vorstellte. Zweifel, dass sich nicht jede Partei klar gegen rechts abgrenzt, sollten später aufkommen.
Thomas Geisel, amtierender Oberbürgermeister von Düsseldorf und erneut Kandidat für die SPD, sprach sich jedenfalls schnell für eine interkulturelle Öffnung der Verwaltung aus – in einer Stadt, in der über 40 Prozent der Einwohner*innen eine Migrationsgeschichte haben – und kritisierte den anwesenden CDU-Kandidaten Stephan Keller, den derzeitigen Stadtdirektor von Köln. Die CDU habe Deutschland viel zu lange nicht als Einwanderungsland akzeptiert, was strukturelle Teilhabe verhindert habe.
Keller lenkte ein, dass seine Partei noch einen weiten Weg zurückzulegen habe und forderte, Personen mit Migrationsgeschichte in die regulären Prozesse und die Arbeit der Parteien und Gremien einzubinden. Die volle Teilhabe an der Wahl sollte nach seiner Auffassung jedoch über die deutsche Staatsbürgerschaft stattfinden.
Bei der Kommunalwahl sind nur EU-Bürger*innen zugelassen. Nicht-EU-Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Düsseldorf steht hingegen die Wahl des Integrationsrates offen. Dass diese aber bisher keinen großen Zulauf erfährt, hängt nicht nur vom Organisatorischen ab – so müssen für die Kommunal- und Integrationswahl teils zwei verschiedene Wahlbüros aufgesucht werden – , sondern vielleicht auch mit einem Zweiklassen-Image von Wahlrecht zusammen.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, OB-Kandidatin der FDP und seit 2017 Mitglied des Bundetages, entgegnete Stephan Keller, dass es ein Fehler der CDU sei, die doppelte Staatsbürgerschaft abzulehnen, man solle dieses Thema liberaler angehen. Der OB-Kandidat von Bündnis/Die Grünen, Stefan Engstfeld, pflichtete ihr bei, plädierte für ein Kommunalwahlrecht für alle und unterstrich den integrationspolitischen Kurs seiner Partei; er nannte das 2018 gegründete Amt für Migration in Düsseldorf und forderte, dem Integrationsrat mehr Anhörungsrechte zu gewähren und auch Nicht-EU-Staatler*innen zuzulassen.
Dass Migrant*innenselbstorganisationen zu wenig politischen Einfluss und finanzielle Förderung beklagen – so wird beispielsweise der Veranstalter NDMO nicht unterstützt – kam als Rückmeldung aus dem Publikum.
Thomas Geisel antwortete, dass Migrant*innenvereine wertgeschätzt würden, aber zunächst Impulse aus der Bevölkerung seien, die nicht per se subventioniert werden können. Er verwies jedoch auf das von der SPD unterstützte Haus der Kulturen in Düsseldorf. Viele der 54 Gründungsmitglieder dieser Einrichtung, die in Zukunft ein interkulturelles Programm bieten soll, sind Migrant*innenselbstorganisationen.
Eine weitere Wortmeldung kritisierte die geringe Diversität auf den Wahllisten der Parteien. Thomas Geisel konnte mit Personen mit Migrationsgeschichte auf aussichtsreichen Plätzen punkten, Stephan Keller versprach Besserung, auch im Hinblick auf die wenigen Frauen in der CDU. Strack-Zimmermanns Ausführungen zu Diversität und Teilhabe blieben unscharf. So behauptete sie, Kinder der dritten Generation aus Einwandererfamilien wiesen nach wie vor Defizite in der Bildung auf, ohne aber das Schulsystem in die Pflicht zu nehmen, das zum Beispiel nicht genügend Lehrkräfte mit interkulturellen Wissenszugängen bereitstellt.
Dass es Rassismus gebe, stritt Strack-Zimmermann nicht ab. Sie stelle fest, dass die ältere Generation zu sehr in diesem Denken stecke, während es sich bei Jüngeren verändere.
Thomas Geisel dagegen zeigte sich schockiert, wie salonfähig Rassismus wieder geworden sei, berichtete über Hassmails mit Klarnamen, die er bekam, als er sich für die Aufnahme von Geflüchteten ausgesprochen hatte – und forderte, dass die Justiz ausdrücklich dafür sensibilisiert werden sollte, weil die meisten Anzeigen gegen die Verfasser*innen eingestellt würden. Als „Grüner“ mit einem integrationsfreundlichen Kurs seien rechte Hassmails für ihn „das täglich Brot“, betonte Stefan Engstfeld; die Parteien sollten „im demokratischen Schulterschluss“ gemeinsam dagegen angehen.
In Erklärungsnot geriet Stephan Keller, als Rueben die rassistischen Äußerungen eines CDU-Kollegen in den Sozialen Medien thematisierte und dass die CDU-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Düsseldorf-Süd, Sylvia Pantel sich nicht entschieden gegen die AfD stelle, was vom Düsseldorfer Publikum bestätigt wurde. Keller rechtfertigte sich damit, dass er sich von solchen Äußerungen distanziere und es in seiner Partei ein Spektrum von Meinungen gebe, und eben auch von konservativen zur Einwanderungspolitik. Die Ausgrenzung von anderen Haltungen sollte nicht voreilig passieren.
Mit einer Frau mit Migrationsgeschichte verheiratet, konnte Stephan Keller das Thema Rassismus schließlich zu seinem persönlichen machen und erzählte von rassistischen Äußerungen von Lehrer*innen und nach wie vor bestehenden Vorurteilen und Ungleichbehandlung in der Gesellschaft. Auch die geringste Symbolhandlung gegen Rassismus sei wichtig, betonte er, man sollte sich aber vor allem gegen den alltäglichen in seinem Umfeld stellen.
Einigen konnte man sich auch darauf, Diversitätsschulungen zu fördern, um Strukturen in der Verwaltung durchlässiger zu gestalten und verdeckte Diskriminierungen abzubauen. Geisel brachte die anonyme Bewerbung als Mittel ins Gespräch, da es nach wie vor Vorurteile gegenüber nicht-herkunftsdeutschen Bewerber*innen gebe. Stephan Keller forderte, gleichzeitig proaktiv Personen mit Migrationsgeschichte für Berufe in der Stadtverwaltung anzuwerben. Die Hemmschwelle für sie sei seiner Ansicht nach noch zu hoch.
Nicht angesprochen wurde die Kulturpolitik, und die Frage, wie sich die vier Oberbürgermeister*in-Kandidat*innen dazu verhalten wollen. Diskussionen über Rassismus und Rechtsruck nahmen an diesem Abend zurecht viel Raum ein. Diese Themen und auch die Forderung nach mehr Diversität werden die Düsseldorfer Politik sicherlich noch weiter beschäftigen.
Mitorganisator des 2. Polit-Sofas ist der Verbund Netzwerk Düsseldorfer Migrantenorganisationen e.V., der auch Teil von KIWit ist.